Baltikum, Polen und Slowakei vom 23. September bis 12. Oktober 06
Route in Estland:
Johvi – Peipus-See – Vasknarva – Kauksi Mustvee – Tartu – Vörtssee – Otepää – Ihamaru – Vöru – Rouge – Suur Munamägi (mit 318m höchster Berg Estlands) –
Murati
Route in Lettland:
Aluksne – Gulbene – Cesvaine – Inesi-See – Ergli – Plavinas – Jekabpils – Viesite – Lone – Akniste
Route in Litauen:
Joudupe – Rokiskis – Dusetos – Dukstas – Kaltanenai – Moletai – (Mittelpunkt Europas) – Maisiagala – Vievis – Trakai – Vilnius
Polen und Slowakei:
Augustow (Pl) – Siedlce – Lublin – Rzeszow – Presov (Sk) – Michalovce
Von Nord- nach Südosten durchs Baltikum
An der Ostseeküste Estlands, in Toila, treffen wir uns mit Gretle und Aschi und berichten uns gegenseitig von unseren
Reiseerlebnissen. Die Beiden haben ein paar Wochen nach uns ihre Reise ins Baltikum gestartet und haben uns nun „eingeholt“. Gemeinsam fahren wir vom Nordosten Estlands im Landesinnern südwärts.
Unser Weg führt uns vorerst entlang des Peipus-See. Dies ist der Grenzsee zu Russland; ungefähr achtmal so gross wie der Bodensee. Wir campieren direkt am Peipus-See. Aschi fällt mit dem
„Fuchsschwanz“ eine dürre Kiefer und dank Gretle’s vollem Einsatz beim Zersägen des Baumstammes haben wir bald viel Holz fürs Lagerfeuer bereit.
Tartu
Bei unserem kurzen Besuch in Tartu besichtigen wir unter anderem den schiefen Turm. Der Pisa-Turm von Tartu neigt sich trotz stützender Holzpfähle zur Strasse hin,
weil der Grundwasserspiegel des nahen Flusses Emajögi absank. Die Eingangstüre wurde bei Restaurierungsarbeiten jedoch gerade gerückt.
Nach ein paar Tagen verabschieden sich Gretle, Aschi und Aischa (Hund), da sie zügig heimwärts fahren wollen. Uns hat die gemeinsame Reisezeit gut gefallen.
Im Gegensatz zur stets flachen Küstengegend bringt die leicht hügelige Landschaft im Landesinnern eine willkommene Abwechslung zum bisher Gesehenen. Der Suur-Munamägi (der grosse Eierberg) ist
mit 318 m der höchste Berg Estlands und für uns „bärgegi Schwiizer“ nicht wirklich der Höhepunkt! Im Landesinnern des Baltikums gibts nur wenige touristische Sehenswürdigkeiten. Vielmehr sehen
wir alte zerfallene Bauernhöfe. Zum Teil sind die Betriebe ganz verlassen, zum Teil werden die Felder mit einfachsten Mitteln (alten Maschinen und/oder Handarbeit) bewirtschaftet. Oftmals werden
riesige Gebiete überhaupt nicht oder nicht mehr genutzt. Viele Sumpf- und Moorgebiete erschweren ein intensives Bewirtschaften der Flächen. Von den Kolchosebetrieben, wie sie während den
Sowjetzeiten existierten, sind meist nur noch Ruinen übrig geblieben. Die Bauern heute sind Selbstversorger. Sie haben zwei, drei Kühe irgendwo auf dem Feld angepflockt und pflanzen etwas
Getreide, Rüben und Gemüse an. Die Kartoffeln werden häufig von Hand geerntet, nur manchmal sehen wir einen alten „Kartoffelschüttler“ im Einsatz. Wir haben den Eindruck, dass dieser mehr Steine
als Kartoffeln hervorrüttelt; das heisst, die Ernte ist gering.
Ähnlich wie in Ostestland durchqueren wir in Ostlettland viele abgeschiedene arme Gegenden. Hier spürt die Bevölkerung wenig von den gesprochenen EU-Geldern. Ausser dem Geld für die neu geteerten
Hauptverbindungsstrassen fliessen vermutlich wenige finanzielle Mittel an die Landbevölkerung im Osten Lettlands. Wir vermuten, dass die Bauern hier auch nur eine geringe Vorstellung haben, was
ihnen die EU in den nächsten Jahren an Vorschriften erteilen wird. Im Vergleich zu den westeuropäischen EU-Staaten haben die baltischen Länder noch einen langen harten Weg vor sich.
Bei meist sonnigem Herbstwetter geniessen wir die unberührte „wilde“ Natur und machen ausgedehnte Spaziergänge durch Wald und Feld. Für Pilzsammler sind die Wälder hier ein Paradies! Wir, als Nicht-Pilzkenner, lassen die Finger von diesem „Gewächs“. Die Schönsten sollen ja bekanntlich nicht immer die Besten sein!
Geographischer Mittelpunkt Europas in Litauen
25 km nördlich von Vilnius liegt der geographische Mittelpunkt Europas. Die Abgrenzungen Europas als Kontinent wurden wie
folgt festgelegt: Im Norden – Spitzbergen, im Süden – Kanarische Inseln, im Osten – Uralgebirge, im Westen – Azoren. Die Koordinaten des geographischen Mittelpunkt Europas lauten: Nord 54°54. Ost
25°19.
Am Tag der offiziellen Aufnahme Litauens in die Europäische Union am 1. Mai 2004 erfolgte die feierliche Präsentation des neu gestalteten geographischen Zentrums Europas, in deren Rahmen auch die
vom bekannten litauischen Bildhauer Gediminas Jokübonis eigens aus diesem Anlass geschaffene Säule aus weissem Granit mit der Sternenkrone enthüllt wurde .
Kleiner Hinweis: Auf der grossen, in sechs Sprachen übersetzten Informationstafel über den geographischen Mittelpunkt Europas hat Dänu einen kleinen, aber entscheidenden Fehler entdeckt! Er will
es natürlich genau wissen und überprüft die Koordinaten mit unserem GPS und siehe da: Ausgerechnet auf der deutschen Übersetzung stimmen die Koordinaten nicht. Anstelle Nord 54°54. steht
irrtümlicherweise Nord 54°51. (wäre 6km entfernt). Kurz entschlossen korrigieren wir diesen Fehler „bünzli-schweizerisch“ mit wasserfestem Filzstift.
Trakai, Stadt auf dem Wasser
Rund 30 km von Vilnius entfernt befindet sich die Stadt Trakai, frühere Hauptstadt des Fürstentums. In einer Seenplatte von zehn Seen, dessen
grösster der Galvé-See ist, liegt die Burg Trakai. Man betritt sie über einen langen Holzsteg. Nachdem sie im Krieg mit den Russen zerstört wurde, ist sie in den 1950er Jahren restauriert worden.
Sie ist der eigentliche Anziehungspunkt der Stadt Trakai.
Vilnius, Hauptstadt Litauens
Fast 600'000 Menschen wohnen heute in Vilnius. Davon nur 50% Litauer und je 20% Russen und Polen.
Vilnius ist eine Stadt im Baufieber. Auf einem Foto sieht man im Hintergrund die mächtige Krone der Kasimirkirche von 1618, davor altes, halb zerfallenes Mauerwerk und im Vordergrund ein neues
4-Sterne-Hotel. Auch der Rathausplatz wird ganz neu gestaltet; überall Baustellen in der Stadt. Trotz Regenschauern lassen wir uns nicht vom Stadtrundgang abhalten und bestaunen unter anderem das
Gotisches Ensemble, die Anna- und Bernhardiner-Kirche. Der Volksmund sagt über die nebeneinander stehenden Kirchen, dass die Annakirche wie ein junges anmutiges Mädchen aussähe und die
Bernhardinerkirche wie eine ältere erfahrene Frau, massiver und schwerer.
Bei der Ausreise aus Litauen haben wir noch etwas Kleingeld übrig und wollen dies, so wie wir dies immer tun wenn wir ein Land verlassen, verschenken. An einer Bushaltestelle spreche ich ein etwa
5jähriges Mädchen an. Noch bevor ich ihm verständlich machen kann, dass ich ihm das Kleingeld schenken will, rennt es davon. Zweiter Versuch: Wir halten bei einem Jugendlichen am Strassenrand an.
Ich versuche ihm zu erklären, dass wir Litauen verlassen und ihm das restliche Kleingeld schenken möchten. Auch dieser will das Geld auf keinen Fall annehmen und spaziert weiter. Beim dritten
Versuch halten wir bei zwei Jungs an. Schüchtern weichen sie vorerst zurück. Selbst als ich dem einen das Kleingeld förmlich in die Hand drücke, schaut er mich immer noch mit erstauntem
Gesichtsausdruck an und kann es kaum glauben, dass wir ihm dies schenken wollen!
Dies als letztes „Müschterli“ wie zurückhaltend und schüchtern wir die baltische Bevölkerung erlebt haben. (Welch ein Gegensatz zu unserer Afrikareise, wo immer und überall jemand ein Geschenk
von uns erwartete!)
Ölwechsel am Toyota
Wir verlassen also das Baltikum über Polen und fahren Richtung Slowakei. Unser Toyota zeigt in der Zwischenzeit bereits über 10'000 km auf dem
Kilometerzähler an. Somit ist ein Ölwechsel angesagt. So einfach wie es sich anhört, ist es hier in der Slowakei jedoch nicht! Bei der ersten Garage mit Werkstatt haben sie zwar eine grosse
Neuwagenverkaufsfläche. Doch für einen Ölwechsel will niemand zuständig sein. Bei der zweiten Garage erklären sie uns, dass sie keinen Lift hätten, um unser Auto anzuheben, obwohl wir nur eine
Auffangwanne für das Öl brauchen und keinen Lift! Von hier schicken sie uns zu einer Honda-Garage. Dort erklären sie uns, dass sie nicht für Toyotas zuständig seien und schicken uns zur
Bosch-Generalvertretung für Auto- und Lastwagenersatzteile. Einen Ölfilter für den Toyota können wir hier auch nicht kaufen. Stattdessen verwiesen sie uns auf die Werkstatt im Hinterhof. Hier
hätten wir wenigstens das passende Öl kaufen können, jedoch zum 6fachen Preis als üblich! Wir lehnen ab und erklären dem Werkstattchef, dass wir einen Ersatzölfilter und Öl selber dabei haben.
Daraufhin will dieser für den Ölwechsel überhaupt keine Zeit mehr haben und zeigt uns mit bedauernswertem Gesichtsausdruck seine vollbesetzten Arbeitsplätze in der Werkstatt.
In der Citroen-Garage finden wir erneut einen gepflegten Verkaufsraum für Neuwagen und in Schale und Krawatte gekleidete Verkäufer vor, jedoch niemand, der sich bei einem Ölwechsel schmutzige
Hände holen will. Gelinde ausgedrückt, leicht angespannt, fahren wir bei der Renault-Garage vor. Mit den bereits erwähnten Ausreden werden wir auch hier abgewiesen. Doch wir bestehen darauf, dass
sich ein Mechaniker unser Auto anschaut. Und wer hätte das gedacht: dieser hat sogar einen ölverschmierten Arbeitsoverall an. Wir zeigen ihm den Ersatzölfilter und das mitgebrachte Öl. Er schaut
den Motor des Toyotas an, murmelt etwas unverständliches, nickt und geht in die Werkstatt zurück. Daraufhin gehen wir ins Büro und klären den Preis für den Ölwechsel ab. Als dieser klar ist,
können wir endlich in die Werkstatt fahren und den Ölwechsel machen lassen. Nach einer halben Stunde ist alles erledigt. Diese Kleinigkeit kostete uns, inkl. grosszügigem Trinkgeld für den
Arbeiter, umgerechnet nur 15.00 SFr., jedoch viel Geduld!
Und tschüss, bis zum nächsten Mal in der Ukraine!